Invasive Mykosen

Definition und Pathogenese

Unter invasiven Mykosen versteht man durch Pilze verursachte Infektionen der inneren Organe und Blutstrominfektionen bis hin zur Sepsis. In Europa sind nahezu ausschließlich Menschen mit einer stark eingeschränkten Immunabwehr betroffen. In Nord- und Südamerika gibt es dagegen auch Pilze, die regelmäßig den gesunden Menschen infizieren können. Die Erreger gelangen meist in Form von Sporen über die Atemluft in den menschlichen Organismus oder dringen über Schleimhäute z.B. der Nasenhöhlen oder des Verdauungssystems in den menschlichen Organismus ein. Eine weitere Eintrittsmöglichkeit für die Pilze sind Wunden, z.B. infolge von Unfällen, bei denen mit dem Pilz belastetes Material in den Körper eingebracht wird. Hat der Pilz ein bestimmtes Organ wie z.B. die Lunge infiziert, kann er auf dieses Organ begrenzt bleiben (lokale Infektion) oder sich im Körper ausbreiten (disseminierende Infektionen). Von den derzeit ca. 100.000 bekannten Pilzarten ist nur ein geringer Bruchteil in der Lage, invasive Mykosen hervorzurufen. Diese relevanten Arten finden sich in allen Großreichen der Pilze (Asco- und Basidiomycota, Mucoromycotina,…).

Die Organismen

Was die ökologische Strategie betrifft, so lassen sich die humanpathogenen Pilze in drei verschiedene Gruppen unterteilen: (1) die zootrophen Pilze (auch als primär oder obligat pathogene Pilze bezeichnet), (2) die Kommensalen, d.h. Pilze, die den Menschen zunächst ohne negative Effekte besiedeln und (3) die saprotrophen Pilze, deren eigentliche Habitate in keiner Beziehung zu Mensch oder Tier stehen.

Die primär pathogenen Pilze haben sich im Lauf der Evolution an das Leben in Mensch und/oder Tier angepasst und müssen, um ihren Lebenszyklus zu vollenden, einen Teil ihres Lebens im lebenden Gewebe verbringen. Die Mehrheit der Arten dieser ökologischen Gruppe kann auch beim Gesunden Infektionen hervorrufen. Allerdings sind diese Arten (z.B. Histoplasma capsulatum, Paracoccidioides brasiliensis, Blastomyces dermatidis, Coccidioides immitis) auf bestimmte Gebiete außerhalb Europas beschränkt und werden nur in seltenen Fällen durch Reisende nach Deutschland eingeführt. In Europa sind Vertreter der Gattung Cryptococcus die einzigen bedeutenden primären pathogenen Pilze (siehe Cryptococcus).

Als Kommensalen lebende Pilze, wie die Hefe Candida albicans (siehe auch invasive Candidiasis), besiedeln vor allem den nährstoffreichen Verdauungstrakt des Menschen, ohne dabei ins Gewebe einzudringen. Kommt es zu einer Schwächung der menschlichen Immunabwehr auf Grund von schwerwiegenden Erkrankungen oder medikamentös bedingt durch die Gabe von Steroiden, kann der Pilz zum Krankheitserreger werden und dringt ins Gewebe ein.

Saprotrophe Pilze besiedeln Lebensräume wie Boden, Holz, abgestorbene Pflanzenteile, Lebensmittel, usw. und gehören damit zur natürlichen Umgebung des Menschen, aber sie besiedeln ihn nicht. Über luftgetragene Sporen oder über Verletzungen gelangen sie zufällig in den menschlichen Organismus. Einige Arten besitzen spezielle Eigenschaften (Virulenzfaktoren), die sie befähigen, im menschlichen Organismus zu überleben. Beispielsweise ist es für die Etablierung einer Infektion in der Regel erforderlich, dass die Pilze Temperaturen von 37°C, wie sie im menschlichen Körper herrschen, zumindest tolerieren. Infektionen durch diese Pilzgruppe betreffen überwiegend Menschen mit stark eingeschränkem Immunsystem. Wichtige Vertreter opportunistischer Pathogene finden sich in den Gattungen Aspergillus (siehe auch invasive Aspergillose), Fusarium (siehe auch Fusariose), Rhizopus, Lichtheimia und Mucor (siehe auch Mucormykose).

Die Diagnostik

Eine frühe Diagnose ist für eine optimale, erregerspezifische Therapie unerlässlich, aber in vielen Fällen aufgrund der anfänglich unspezifischen Symptomatik problematisch.

Die Vielzahl vorhandener Nachweismethoden ermöglicht eine gezielte und spezifische Identifikation der Erreger, ist aber nicht für alle Organismen gleichermaßen anwendbar. Bildgebende Verfahren wie CT oder MRT geben oft erste Hinweise auf das Vorliegen einer invasiven Mykose. Durch die direkte Mikroskopie von Patientenproben (bronchoalveoläre Lavage, Biopsie-Material) lässt sich eventuell klären, ob es sich tatsächlich um eine Pilzinfektion handelt. Dabei können Farbe und Morphologie der Pilzstrukturen das Erregerspektrum einschränken, eine Artbestimmung ist allerdings nicht möglich. Die nachträgliche molekulare Idnetifizierung solcher Pilze zählt zu den häufigsten Aufgaben des NRZMyk.

Die Identifizierung der Erreger erfolgt auch heute noch meist über die Anzucht des Pilzes aus Patientenproben. Diese Pilzstämme können dann morphologisch und/oder molekularbiologisch bestimmt werden. Da die Zahl der pathogenen Pilzarten zunimmt, die morphologisch nicht von ihren Schwesterarten zu unterscheiden sind, ist die morphologische Bestimmung nicht für alle Arten zuverlässig. Allerdings ermöglicht sie in den meisten Fällen eine eindeutige Bestimmung der Gattungen und Untergruppen innerhalb der Gattungen.

Eine molekularbiologische Bestimmung durch die Sequenzierung bestimmter Gene führt in der Regel zur exakten Bestimmung der Art und kann auch direkt vom Probematerial durchgeführt werden, sollte eine Kultivierung des Pilzes nicht möglich sein. Für viele Erregergruppen stehen am NRZMyk verschiedene Protokolle zur Sequenzierung bestimmter DNA-Regionen (wie z.B. ITS, LSU, beta-Tubulin) zur Verfügung. Neben mikroskopischen und molekularbiologischen Nachweisverfahren kommen auch serologische Methoden zum Einsatz. Wichtige Beispiele für serologische Tests, basierend auf dem Nachweis von Zellwandbestandteilen im Serum, sind der Galaktomannan-Test zum Nachweis von Aspergillus-Arten und der unspezifische ß-Glucan-Test, mit dem sich viele pathogene Pilze, darunter auch Candida- und Aspergillus-Arten, nicht aber Vertreter der Mucorales nachweisen lassen. Neben einer Erreger-spezifischen Herangehensweise an die Wahl der Methodik spielt dabei auch das verfügbare Patientenmaterial eine entscheidende Rolle.